Gewaltfreie Kommunikation mit inneren Anteilen

Gewaltfreie Kommunikation mit inneren Anteilen

Was sind innere Anteile eigentlich? Und was hat die Arbeit mit inneren Anteilen mit Gewaltfreier Kommunikation zu tun? Für mich bedeutet das Zusammenbringen der beiden Ansätze eine große Chance auf Wachstum.

Die Existenz innerer Persönlichkeitsanteile ist für die meisten Menschen intuitiv nachvollziehbar. Wir erleben als Person verschiedene Zustände und haben verschiedene innere Stimmen in uns.

Ein Beispiel: Ich liege abends auf dem Sofa und ruhe mich aus. „Schreib doch mal einen Text für den nächsten Newsletter!“ sagt eine innere Stimme. „Nein, ich bin müde, ich will nur meine Ruhe und einen Film gucken!“ protestiert eine andere innere Stimme. Die Idee ist, dass sich unsere Gesamtpersönlichkeit aus verschiedenen, sehr unterschiedlichen Persönlichkeitsteilen zusammensetzt. Man kann sich das vorstellen wie eine Theaterbühne: Es gibt die Heldendarsteller:innen, die eine Menge Raum einnehmen und unsere Kompetenzen und Leistungsfähigkeit darstellen. Es gibt innere Krisenmanager:innen, die nur bei Bedarf aus der Kulisse springen und in die Handlung eingreifen. Es gibt Anteile, die spielerische, phantasie- und gefühlvolle, aber auch verletzliche Seiten verkörpern und von den anderen Anteilen beschützt werden. Und es gibt Anteile, die hinter den Kulissen oder sogar unter der Bühne ein einsames Dasein außerhalb des Scheinwerferlichts (=außerhalb unseres Bewusstseins) fristen.

Die Idee von inneren Persönlichkeitsanteilen hat bereits eine längere Geschichte und wurde von verschiedenen Psychotherapeutinnen und -therapeuten aufgegriffen und weiterentwickelt. Der Psychoanalytiker C.G. Jung wird in dem Zusammenhang oft als Vorreiter genannt, da er die sogenannten Archetypen als seelische Anteile benannte, darunter beispielsweise den „Schatten“. Fritz Perls, der Begründer der Gestalttherapie, erwähnt in seinen Büchern innere Anteile von Klienten, die er „Topdog“ und „Underdog“ nannte. Von ihm wird auch berichtet, dass er die Methode der „leeren Stühle“ einsetzte, bei denen ein Klient durch gezieltes Wechseln des Platzes verschiedene innere Stimmen ins Gespräch bringen konnte. Sidra und Hal Stone entwickelten den „Voice Dialogue“. Von John und Helen Watkins stammt das Modell der „Ego States“. Im deutschen Sprachraum ist vielen das „Innere Team“ von Schulz von Thun bekannt.

Ich schätze besonders das  Modell der inneren Familie (Internal Family Systems, kurz IFS), das der amerikanische Psychotherapeut Richard Schwartz entwickelt hat. Er beschreibt, dass es innere Anteile mit einer Beschützerrolle gibt sowie verletzliche oder verbannte Anteile, die beschützt werden. Eine besondere Rolle spielt bei ihm das Selbst, die Instanz, die mitfühlend, weise und voller Frieden ist und alle inneren Anteile wahrnehmen und mit ihnen in Beziehung treten kann.

In unserem Alltagszustand ist es meistens so, dass sogenannte Manageranteile in Führung sind und dafür sorgen wollen, dass unser Leben funktioniert. Sie möchten die verletzlichen oder verletzten Anteile in uns beschützen und geben diesen daher oft zu wenig Raum. Die Krisenmanager:innen unter den Beschützern haben gute Absichten, sind aber impulsiv und ihr „Auftritt“ hat oft negative Folgen für uns und unsere Gesundheit (zu viel essen, zu viel arbeiten, zu viel Rotwein trinken) oder für unsere Beziehungen (Wutanfälle, seelische Abschottung). Und manchmal können auch verletzte oder lange verbannte Anteile die Führung übernehmen, und wir fühlen uns tage- oder wochenlang überfordert, verzweifelt oder deprimiert und ohne Zugang zu unseren Ressourcen.

Wie kann ich mit meinen inneren Anteilen konstruktiv arbeiten und mehr aus meinem Selbst heraus leben?

Hier sind die Haltung und die Methode der Gewaltfreien Kommunikation sehr hilfreich: Der wohlwollende und mitfühlende Umgang mit mir selbst und die „Wieder-Verbindung“ mit den eigenen Bedürfnissen (= die sogenannte Selbst-Empathie) ist der erste Schritt, bevor ich überhaupt anfange, mit anderen zu kommunizieren. Die inneren Anteile verkörpern bestimmte Gefühle und Bedürfnisse in uns. Das Kennenlernen der wichtigsten inneren Anteile sowie der Dialog mit ihnen über ihre Gefühle und Bedürfnisse sorgt für mehr Verständnis für sich selbst und mehr Klarheit über die eigenen Bedürfnisse. Innere Anteile, deren Bedürfnisse aufgrund früherer Erfahrungen im Mangel sind, können besser versorgt und dadurch heiler und friedlicher werden. Spannungen zwischen inneren Anteilen können geklärt und lebensdienliche Lösungen oder Entscheidungen verhandelt werden. Diese innere Arbeit ist eine wunderbare Grundlage für die Gestaltung von ausgewogeneren und friedvolleren Beziehungen mit anderen.

Um die Arbeit mit inneren Anteilen kennen zu lernen, biete ich folgende Möglichkeiten an:

GFK-Jahrestraining „Wirksamkeit. Beziehung. Sinn.“ 2023/24

In diesem Trainingszyklus über insgesamt 16 Seminartage gibt es im geschützten Rahmen einer festen Gruppe viel Raum, um eigene innere Anteile besser kennen zu lernen.

GFK-Care-Paket „Roten Knöpfen im Alltag fürsorglich begegnen“

Ein Online-Kurs über sechs Abende, bei dem mit einer eigenen Triggersituation, die starke Gefühle auslöst, die Dynamik der beteiligten inneren Anteile erkundet werden kann.

GFK-Intensiv-Coaching

Einzelsitzungen bieten einen sicheren Rahmen, um anhand von bestimmten Situationen aus dem eigenen Alltag wichtige Anteile kennen zu lernen und ihre Gefühle und Bedürfnisse besser zu verstehen.