Ich bin Circe…?!?

In der Geschichte um den griechischen Sagenhelden Odysseus spielt Circe nur eine kleine Nebenrolle: Als Zauberin lebt sie auf einer abgelegenen Insel, umgeben von Frauen. Als Odysseus und seine Männer bei ihr anlanden, lädt sie sie freundlich zu einem Mahl ein – doch der Wein, den sie serviert, ist vergiftet. Circe verwandelt die schlafenden Männer in Schweine. Auf den ersten Blick sicher keine Sympathieträgerin…

Die amerikanische Autorin Madeline Miller gibt Circe in ihrem Buch Ich bin Circe eine eigene, neue Stimme. Erzählt aus Circes Perspektive, erleben wir sie als ungeliebte Tochter des Sonnengottes Helios und einer Nymphe, die ihren ganz eigenen Entwicklungsweg beschreitet. Sie wird im Laufe der Zeit Hexe und Heilerin und verkörpert auf ihre ganz eigene Art eine Kriegerin, die sich immer neuen Herausforderungen und dem damit verbundenen Schmerz stellt – sei es in ihren Liebesbeziehungen, in der Rolle als Mutter oder mit ihrer Aufgabe und Berufung in dieser Welt…

Besonders beeindruckt hat mich, wie das Buch Verständnis, Mitgefühl und auch Respekt für diese oft missverstandene Frau in mir geweckt hat. Circes Schicksal zu begreifen, die Kräfte, die ihr Leben prägen, und die Beweggründe für ihr Handeln zu erkennen (ohne es zu beschönigen), war ein spannender Prozess beim Lesen. Es hat mich an ein Sprichwort erinnert, das indigenen nordamerikanischen Völkern zugeschrieben wird: “Urteile nicht über einen anderen, bevor du nicht eine Meile in seinen Mokassins gegangen bist.“

Im Kern des Buches geht es um Selbstermächtigung und das Bemühen um ein selbstbestimmtes Leben im Einklang mit der eigenen „Bestimmung“. Circe findet ihre ganz eigene Antwort – die ich euch hier natürlich aber nicht vorwegnehmen möchte. Für alle, die auf der Suche nach inspirierender Lektüre sind: Dieses Buch nimmt dich mit auf eine spannende Reise durch die griechische Mythologie und erzählt viel über das Leben, die Liebe und die Kraft des Selbst. Eine Geschichte, die für jeden lesenswert ist – nicht nur für Frauen.

Ich wünsche Euch gemütliche Herbsttage mit dem ein oder anderen Buch auf der Couch…

Herzlichen Gruß, Daniela

Raum, um loszulassen

Wut, Angst, Trauer, Scham und Freude – über jedes der fünf menschlichen Grundgefühle lohnt es sich, zu schreiben. Ich beginne mit der Trauer!

Trauer ist ein stilles Gefühl – zumindest in unserer Kultur, wo die Tradition der Klageweiber fehlt, die laut wehklagen und jammern. Traurig sein passt auch eigentlich nicht zum Sommer, der ja Leichtigkeit verspricht.

 

Weil meine Mutter mitten in diesem Sommer starb, hatte ich eine Menge Gelegenheit, dieses Gefühl zu kosten. Die Endgültigkeit des letzten Abschiedes schmerzt einfach besonders – das erfahre ich auch von den Menschen um mich, die solche Verluste bereits kennen. Die Anteilnahme und das Mitgefühl, das mir als Trauernder entgegengebracht wird, tut gut.

Trauer als menschliches Grundgefühl bringt uns in Verbindung mit Wertschätzung und Würdigung für Menschen und Dinge, die wir lieben. Und lehrt uns Akzeptanz für die Dinge, die wir nur hinnehmen oder annehmen können, aber nicht verändern. Ich erinnere mich, wie mein Sohn als etwa Zweijähriger ein Stöckchen ins Feuer warf. Die Flammen erfassten es und dann brannte es lichterloh – da fiel ihm ein, dass er es gern zurückhätte. Seine Gefühle wechselten von Fassungslosigkeit über Wut zu Verzweiflung darüber, dass das einfach nicht möglich war.

Ich mag, dass auf den Listen von Marshall Rosenberg „Trauern“ nicht nur als Gefühl, sondern auch als Bedürfnis steht, als eigene Qualität oder Form von Lebensenergie: Trauern um den Verlust geliebter Menschen oder verlorene Träume. Ich habe eine Medizinfrau der Lakota (indigenes Volk in Nordamerika) sagen hören, dass Menschen in ihrer Kultur nach dem Verlust eines nahestehenden Menschen ein Jahr lang nicht zu sozialen Anlässen gehen würden, um jederzeit weinen zu können.

Ich bin froh, zu erleben, dass mich die Praxis der Gewaltfreien Kommunikation auch in den dunklen Stunden trägt: Gefühle zu fühlen, ihnen Raum zu geben, sie sein zu lassen als das, was in mir eben gerade lebendig ist. Nach den Bedürfnissen zu tasten und darin einen tröstlichen Grund zu finden. Trauer, so lerne ich, quillt innerlich nach oben, ausgelöst durch Erinnerungen oder Sinneseindrücke. Die „Geschichte“ der eigenen Gedanken dazu freundlich zu betrachten. Nach einer Weile wird es innerlich friedlich, und meine Aufmerksamkeit wendet sich anderen Dingen zu.

Dafür lohnt es sich doch, zu üben…

In diesem Sinne wünsche ich Euch leichte und unbeschwerte Sommertage mit einem winzig-kleinen oder größeren Raum für die Trauer dort, wo es für Euch gerade um Loslassen, Würdigen oder Abschied geht.

Herzliche Grüße, Daniela

Kraftvolle Entscheidungen treffen

Eisdiele Bild

Manchmal ist die nächste Entscheidung, die ansteht, nur diejenige zwischen Himbeer- und Joghurt-Eis in der Eisdiele. Die Entscheidungen, die schwerer fallen, haben meist etwas mehr Auswirkungen auf das eigene Leben. 

Strand oder Berge im Urlaub? Umziehen oder Wohnung behalten? Kündigen oder im Unternehmen nach einer anderen Stelle umsehen? An der Beziehung arbeiten oder Trennung…? 

 Die Liste der Pro- und Contra-Argumente hat mir persönlich nie besonders geholfen, die Argumente waren meist gleichmäßig verteilt. Zum Glück gibt es einen GFK (=Gewaltfreie Kommunikations)-Prozess mit etwas mehr Tiefgang, der mir persönlich dabei geholfen hat, Entscheidungen zu treffen, und den ich hier gerne mit euch teilen möchte.
 
 
  1. Überlege Dir vorher, welche Entscheidungsmöglichkeiten es gibt, es können auch mehr als zwei Optionen sein. Benenne jede Option mit einem klaren Stichwort.
  2. Markiere für jede Option einen Platz am Boden – Du kannst ein Blatt Papier, einen Gegenstand oder einfach eine zusammengefaltete Decke nehmen. Zusätzlich brauchst Du einen “neutralen” Ort.
  3. Beginne innerlich beim neutralen Ort. Schließe die Augen, gehe mit Deiner Aufmerksamkeit nach innen, nimm einige tiefe Atemzüge und entspanne Dich.
  4. Dann kannst Du zu der Option gehen, die Dich gerade am meisten anzieht. Du kannst die Option nochmal laut aussprechen oder innerlich die Aufmerksamkeit darauf richten. Erlaube Dir, zu atmen und die Empfindungen in Deinem Körper wahrzunehmen (ca. 1 Minute). Welche Empfindungen entstehen in Deinem Körper, wenn Du an diese Möglichkeit denkst? Welche Gefühle sind damit verbunden? Welche Bedürfnisse werden dadurch berührt – erfüllt oder nicht erfüllt? Lass Dir wirklich Zeit zum Spüren.
  5. Wenn Du genug hast, kehre zurück zum neutralen Ort und lass Dich wieder leer werden.
  6. Dann kannst Du zur zweiten Option gehen und den Prozess des Spürens wiederholen.
  7. Zum Schluss kehre zum neutralen Ort zurück. Wo stehst Du jetzt mit der Entscheidung? Vielleicht hast Du eine klare Tendenz, welche Option sich richtiger anfühlt. Oder es entsteht eine ganz neue Lösungsidee durch den Kontakt mit den verschiedenen Bedürfnissen. Oder Du spürst, dass die Zeit noch nicht reif ist für eine Entscheidung. Zum Abschluss kannst Du eine Bitte an Dich formulieren: Was möchtest Du jetzt tun?
Bodenanker für Optionen

Viel Spaß beim Forschen und gute Entscheidungen wünsche ich Dir!

Herzlich, Daniela

Der Golden Circle mal anders…

Die Osterfeiertage waren die reine Wohltat – ich hoffe, Ihr habt die sonnigen Tage ebenso genossen wie ich.

Davor waren meine Wochen sehr dicht, ein Termin reihte sich an den anderen: Die eigenen beruflichen Projekte, die Aktivitäten der Kinder, die Aufgaben im Haushalt, sogar Verabredungen oder Telefonate mit Freunden oder Zeit mit meinem Mann… – alles wurde eine einzige lange To Do-Liste.

Wenn ich das eine Weile mache, erschöpft sich ganz still und leise etwas in mir, die Freude schwindet, ich werde müde und dann irgendwann gereizt und unzufrieden. Was ich dann brauche, habe ich erst über die Jahre verstanden: Mich immer wieder der Frage zuzuwenden, was mein Beitrag in dieser Welt ist.

Die Tänzerin, Choreografin und Tanzpädagogin Martha Graham hat das so ausgedrückt:

„Es gibt eine Vitalität, eine Lebenskraft, eine Energie, eine Anregung, die durch dich in Handlung umgesetzt wird. Und da es dich über alle Zeit hinweg nur einmal gibt, ist dieser Ausdruck einzigartig. Wenn du ihn blockierst, wird er niemals existieren durch ein anderes Medium, und wird verloren sein. Die Welt wird ihn nicht haben. Es ist nicht deine Aufgabe, zu entscheiden, wie gut er ist oder wie wertvoll noch wie er im Vergleich ist mit anderen Ausdrücken. Es ist deine Aufgabe, ihn als deinen zu halten, klar und direkt, und den Kanal offen zu halten.“

Wenn ich mit dieser Frage verbunden bin, bekommt mein Leben wieder mehr Ausrichtung. Ich erinnere mich daran, wofür ich meine Lebenskraft und -zeit wirklich einsetzen will und kann klare Entscheidungen treffen. Und ich fühle mich im Alltag getragen von Inspiration.

Ganz praktisch gibt es viele Wege, um diesen Kontakt herzustellen. Eine Auszeit mit einer Tasse Tee, ein Spaziergang in der Natur, in Stille meditieren mit der Frage „Was ist mein Geschenk an die Welt?“ oder darüber nachsinnen und träumen (ohne gezielte Anstrengung). Eine Hilfe dafür habe ich lustigerweise im Marketingbereich gefunden, den bekannten „Golden Circle“. Ich zeichne ihn mir auf ein großes Blatt Papier. Im größten Kreis steht „Was?“, im zweiten Kreis steht „Wie?“ und im dritten Kreis steht „Warum?“

Ich fange gern mit dem zweiten Kreis an – da schreibe ich meine eigenen Stärken, Kompetenzen und Fähigkeiten hinein. Den Innenkreis zu füllen braucht etwas mehr Zeit, er gibt die Antwort auf die Frage, warum Du morgens aufstehst. Was ist Dein einzigartiger Beitrag in dieser Welt? Wo geht die Sehnsucht Deines Herzens hin? Was ist Dein Ruf oder Deine Berufung hier? Im dritten Kreis steht das, was ich für in Verbindung mit diesem Ruf im Moment konkret tue, meine Vorhaben oder Projekte. Und – besonders lohnend – auf die Fläche des Papiers außen um den Kreis schreibe ich das, was ich nicht mehr tun oder loslassen möchte.

Falls Du das selbst ausprobierst, freue ich mich, wenn Du Deine Erfahrung damit mit mir teilst!

Viel frühlingshafte Inspiration und Erkenntnis wünsche ich Dir mit herzlichen Grüßen,

Daniela

Baum statt Karte

In diesem Jahr habe ich mich entschieden, ein Baum-statt-Karte-Projekt zu unterstützen. Für jede/ jeden meiner Klient:innen und Kund:innen habe ich einen Baumsetzling gestiftet, der Anfang 2024 im Rahmen eines Aufforstungsprojektes in Sambia gepflanzt wird, insgesamt 100 Stück. Ich hoffe, damit einen winzigen Beitrag im großen Rauschen des Klimawandels zu leisten.

Hier kann man sehen, wo die Bäume gepflanzt werden.

All meinen Seminar- und ÜbungsgruppenteilnehmerInnen, allen KlientInnen und KundInnen wünsche ich damit einen ruhigen Jahresausklang, bedürfnisorientierte Weihnachtstage und ein gesundes und glückliches neues Jahr!

Über die (Un-)Erschrockenheit

Über die (Un-)Erschrockenheit

Keiner mag Konflikte. Ich auch nicht, obwohl es ja ein großer Teil meiner beruflichen Tätigkeit ist, andere bei der Klärung ihrer Konflikte zu begleiten. Aber da bin ich nicht direkt betroffen. Es ist anstrengend, zusammen mit angespannnten Menschen in einer Runde zu sitzen, die schon lange nicht mehr wirklich miteinander gesprochen haben. Die Dinge gesagt oder getan haben, von denen andere sich verletzt fühlen. Aber es ist auch sehr berührend, zu sehen, wie Menschen Mut fassen, ihre Wahrheit auszusprechen, wenn der Rahmen sicher genug ist. Wahrheit ist nicht immer schön im Sinne von „macht gute Gefühle“. Aber die Klarheit und das Verstehen und oft auch die Verbindung, die dadurch wieder entsteht, machen es lohnend, sich damit auseinanderzusetzen.

Über die Osterfeiertage hatte ich selbst einen Konflikt. Ich habe wieder alles erlebt – den Schock und den Schreck, wenn der auslösende Moment stattfindet. Den Schmerz, der – wie eigentlich immer bei Konflikten – mit aktuellen Bedürfnissen verbunden ist, aber auch alte wunde Punkte berührt. Die Wut, die anzeigt, wenn innerlich Grenzen tangiert sind. Die Wolfshow… Oh nein, ich bin in solchen Situationen kein bisschen erhaben über oder frei von Urteilen und Bewertungen (nur, falls das jemand gedacht hat 😉).

Und ich bin gleichzeitig dankbar für die Haltung und die Werkzeuge der GFK, die mir in solchen Situationen helfen: Das Anerkennen, dass sich Menschen immer wieder gegenseitig triggern und dass das Teil des Lebens ist. Das geduldige Auseinander-Fühlen von gegenwärtigen Gefühlen und Bedürfnissen (gehören in die Konfliktklärung) und alten Gefühlen bzw. unerfüllten Bedürfnissen (gehören in geschützte Räume für tiefere Selbst-Empathie, nur bedingt in die Konfliktklärung). Worte finden für die eigene Wahrheit. Das Gespräch suchen. Die Zuversicht, dass der Prozess der Gewaltfreien Kommunikation trägt, auch in solchen Momenten. Die Erleichterung, wenn das gegenseitige Sehen und Verstehen stattfindet und Verbindung entsteht. Das Aushandeln von Lösungen – das durchaus ein schmerzhafter Prozess sein kann, trotz aller Verbindung, weil Strategien wieder in der Welt mit ihren physischen Begrenzungen stattfinden.

All das hilft mir, den Mut aufzubringen, die Klärung anzugehen – und nicht aufzuschieben. Ich sehe in den Organisationen, in denen ich arbeite, die leidvollen Folgen für alle Beteiligten, wenn Konflikte – aus Unsicherheit oder Hilflosigkeit heraus – zu lange ignoriert werden. Ein sehr lokaler Beitrag zum Frieden also, aus der Erschrockenheit heraus den Ort der Unerschrockenheit in sich zu suchen.